Mein #ADHS-Coaching Teil 8

Teil 8: Über Impulssteuerung

[Disa] Weil es für mich schier unmöglich ist – und zwar schon immer – zur Ruhe und in eine tiefe Entspannung zu kommen, so richtig, mit allen Tabs zu, beschliesse ich, mit Dr. ADHS diesmal darüber zu sprechen. Dieses Gewusel im Kopf haben ja alle irgendwie, ich weiß, doch die meisten haben es nicht immer. Nicht alle haben dieses ständige Rumgezappe und Rumgeswitche im Kopf, das für ADHS ein typisches Symptom ist.

Am Anfang der Therapiesitzung sprechen wir über die aktuellen Lieferengpässe. Ich hoffe sehr, dass mein Medikament baldmöglichst wieder lieferbar sein wird. Die angebrochene Packung reicht noch bis Mitte Februar. Ich hoffe, dass bis dahin der Engpass behoben sein wird. Dr. ADHS stellt mir ein neues Rezept aus.

Beide schweifen wir diesmal häufig ab. Reden über alles Mögliche. Auch über Autismus. Ich stelle fest, dass mich dieses Mäandern nervös macht. Mein innerer Taxometer läuft.

Irgendwann kommen wir doch noch zum Thema: Entspannung, Schlafen, Ruhe, Erholung, Umgang mit Schlafproblemen, Hypervigilanz, Daueranspannung

Dr. ADHS skizziert mir wieder einmal, zur Erinnerung, was neurobiologisch mit Reizen passiert. Wie sich der Thalamus, dieser Gedanken-, Eindrücke- und Gefühle-Filter inmitten meines Hirns mit dem Präfrontalen Cortex austauscht. Vom Limbischen System wird er zudem mit Gefühlsinfos gefüttert. Von außen kommen Sinneseindrücke, von innen Gedanken und Gefühle, die via Thalamus im PFC bewertet werden und schließlich zu Handlungen führen, denn dort sitzt die Steuerzentrale.

Lange Rede kurzer Sinn: Wir ADHS-Hirnis sind quasi von vornherein schwer zum Schlafen, zum Abschalten zu bekommen, weil da immer irgendwelche Reize sind.

Was hilft: Reize reduzieren, Geräusche mit Ohropax dimmen, helles Licht vermeiden, etc.

Unten rechts zeichnet sie die typische Zeitleiste einer Nacht. In der ersten Nachthälfte sind wir müde und schlafen in der Regel tiefer als in der zweiten Nachthälfte. Wenn wir nicht einschlafen können, sollten wir das Bett verlassen, etwas machen. Bis eine halbe Stunde nicht einschlafen zu können sei normal, länger sei ungesund. Wach im Bett liegen gibt dem Hirn den falschen Impuls. Es versteht: »Wach im Bett ist ok. Also bin ich wach, wenn ich Reize verarbeiten will.«

Wenn wir uns bewusst machen, dass wir jetzt nicht mehr Schlafen, sondern nachdenken und fühlen – sprich: wach sind und aktiv –, sollten wir entweder gegensteuern und das System bewusst mit entspannenden Techniken herunterfahren oder eben aufstehen. Bloß nicht passiv herumliegen.

Was hilft, damit wir wieder einschlafen, wenn wir nachts oder viel zu früh morgens wach sind: Wenig Licht (wenn, dann blaues), keine Aktivitäten, Reize minimieren (sowie die bekannten Atemübungen, Zählen, Muskelentspannung etc.). Aufkommende Gedanken aufschreiben, um sie loszulassen.

Also auch da wieder in die Selbststeuerung gehen: Was will ich jetzt? Entscheiden, statt mich treiben lassen. Hauptsache nicht passiv herumliegen.

Nichts Neues, denke ich, denn ja, irgendwie hatte ich mehr erwartet, neue Erkenntnisse. Das alles war für mich, außer dem besseren Verständnis der neurobiologischen Prozesse, mehr oder weniger bekannt.

Ob ich womöglich inzwischen die meisten Coachinginhalte – zumindest theoretisch – verstanden haben? Die mir von Dr. ADHS bisher vermittelte Sensibilisierung auf Steuerungsprozesse und dazu passende Techniken greifen nahtlos ineinander und ergänzen sich. Die Essenz ist immer ähnlich: Anstatt mich treiben zu lassen, selbst entscheiden. Aktiv statt passiv sein. Mich und die Prozesse selbst steuern statt mich wie bisher von meinen Impulsen fremdbestimmen lassen.

Wie sehr setze ich diese Erkenntnis in meinem Alltag denn schon um?, frage ich mich auf dem Heimweg.

Antwort: Mal mehr, mal weniger. Je besser ich darauf achte, mich nicht treiben zu lassen, desto besser kann ich mich aufraffen, nicht gleich dem ersten Impuls nachzugeben und mich stattdessen zu fragen, was ich wirklich will und was genau jetzt hilfreich ist.

Das ist – zugegeben – ebenso anstrengend wie jedem Impuls nachzugeben, weil ich dieses Vorgehen noch nicht verinnerlicht habe. Kein Wunder, denn viele Jahrzehnte habe ich gegenteilig gehandelt, mich treiben lassen, Impulsen gehorcht.

Es liegt allein bei mir. Will ich selbst und bewusst Entscheidungen treffen (wie ich zum Beispiel meinen Tag gestalte, wie ich meine Arbeiten erledige) oder lasse ich mich durch den Tag treiben? Ja, auch das darf, aber dann, weil ich es so entschieden habe.

(Januar 2025)


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Teil 4
Teil 5
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Teil 7

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Fortsetzung folgt

Leben machen – Teil 16, Überraschung

[Janne]
Um 8 war der Termin in der Klinik.
Zyklusmonitoring, Teil 2. Blut, Ultraschall und eine neue Ärztin.
Darauf war ich vorbereitet. Wusste, dass ich kurz vor 5 dafür aufstehen und duschen musste und knapp 2 Stunden mit meinem Auto, dem Zug und der Straßenbahn unterwegs sein würde. Nüchtern.

Diesen Routinenbruch habe ich in der letzten Woche bereits geübt. Mir hilft es, wenn ich unübliche Abläufe in ihrer Unüblichkeit vorher dadurch abflache, dass schon die Tage vorher unüblich laufen, aber von mir selbst so geplant. Ich habe mir den Wecker anders gestellt als sonst. Habe die Reihenfolge der Morgenroutine verändert und den Tag nach der Untersuchung nicht mit Arbeit strukturiert, sondern mit Tätigkeiten, von denen ich weiß, dass sie wenig von mir fordern und mir im Allgemeinen guttun. Wenn ich mich gut gefühlt hätte, hätte ich arbeiten können.

Mein Körpergefühl ist manchmal nicht vorhersehbar für mich. Es könnte sein, dass ich von meiner Nüchternheit nichts spüre – es könnte aber auch sein, dass ich ausschließlich das spüre und dann nichts anderes mehr kann.
Früher hatte ich deshalb für solche Nüchtern-Termine eine Assistenzperson an der Seite. Wenn ich nur noch Schwindel, Magenschmerz und Zittrigkeit spüren kann, bekomme ich Angst und die dreht das ganze Sensorik-Drama noch eine Stufe rauf. Der Overload kommt dann schnell und mit ihm die Regression. Ich kann mich nicht mehr orientieren, kriege selbst gewohnte Abläufe nicht mehr in die richtige Reihenfolge. Um Hilfe bitten funktioniert dann auch nicht mehr – ich kann dann nicht mehr sprechen.
Inzwischen habe ich so eine Assistenz nicht mehr. Ich brauche sie einfach zu selten. Die Erwartung ist implizit, dass mir mein Mann die Unterstützung gibt. Ob ich das möchte oder wie er diese Leistung mit seinen Arbeitszeiten verbinden soll, wird so zu unserem Problem.

Ich muss da also allein durch. In meiner Tasche, meinem Rucksack und meinem Geldbeutel ist in der Hülle von meinem Personalausweis und meinem Schwerbehindertenausweis ein Zettel mit Informationen für Ersthelfer*innen. Sollte ich dekompensieren, lande ich mit Glück gar nicht erst im Krankenhaus, sondern in irgendeiner ruhigen Ecke bis mein Mann oder ein Taxi für mich kommt.

An diesem Tag habe ich erst etwas von der Nüchternheit gespürt, als ich die Veränderung in meinem Uterus sah und warten musste, bis die Ärztin etwas dazu sagte. „Sehen Sie das da? Das ist ein Polyp.“ Sie rührte ein weiteres Mal mit dem Gerät in meinem Körper herum. „Damit werden sie nicht schwanger.“
Und dann zeigte sie mir meinen wunderschönen Riesenfollikel. Meine toll aufgebaute Schleimhaut. Wie alles super ist. Außer dass da etwas gewachsen ist, das eine Einnistung sehr erschweren kann.

Weil ich so weit weg wohne, hat mich die Ärztin in ihren Plan gequetscht.
Ich solle erst einmal etwas essen und trinken und in einer Stunde wiederkommen.
Dass die Ärztin mich über eine Operation aufklären wollte und ich dafür wiederkommen sollte, habe ich erst dann gemerkt, als sie es knapp zwei Stunden später tat. Mit einem Termin Ende Februar und vielen Zetteln voller Text und Fragen.
Ich muss entscheiden, ob ich nur den Polypen entfernen oder bei der Gelegenheit auch gleich alles untersuchen und biopsieren lasse, was geht. Eileiterprüfung, Killer- und Plasmazellen, Endometriose. Wir verlieren eh einen Zyklus, wie viel Erkenntnis will ich im Gegenzug dafür? So erscheint mir diese Entscheidung.
Ich habe alles unterschrieben und über nichts davon nachgedacht.

Bei mir war noch nie ein Polyp oder Ähnliches gewachsen. Es war immer alles in Ordnung. Aus dem erwarteten Ultraschall-Ergebnis ist ein unerwartetes geworden.
Das verarbeitend saß ich dann im Zug nach Hause, immer die Uhr im Blick, denn ich sollte noch einmal wegen der Blutergebnisse anrufen.
Am Bahnhof stellte ich mich in die Sonne, um dem Besetztzeichen zuzuhören. Mir war nicht mehr wirklich klar, was sie mir über mein Blut jetzt noch Relevantes mitteilen könnten. Wenn ich „damit nicht schwanger werde“, dann kann mir mein LH-Wert, der Wert zur Bestimmung des Eisprungs, ja auch völlig egal sein.
Tatsächlich ist der LH-Wert super zum Leben machen – mein Langzeit-Blutzuckerwert ist es hingegen weiterhin nicht. Der war vor einem halben Jahr, einer Ernährungsumstellung und 15 Kilo mehr schon erhöht. Das also auch noch.
Ein neuer Arzt. Ein weiterer Routinenbruch. Neue Herausforderungen.

Ich habe an dem Tag nicht mehr gearbeitet. Ich war dumpf mit dem Hund draußen. Habe mit Freund*innen telefoniert und meine*n Hebammenfreund*in kontaktiert. Meinem Mann alles erzählt und mich besser gefühlt, als er mich getröstet und ermutigt hat.
Ich muss noch herausfinden, was mich im Moment mehr belastet – die Überraschung oder das neue Wissen oder die Aussicht auf ein weiteres schwieriges Gesundheitsthema.
Oder dass es sehr wahrscheinlich wieder nichts wird.

Haben oder nicht haben, sein oder nicht sein? #Autismusspektrum

[Disa] »Heute wollen doch alle eine Diagnose!« oder »Heute haben doch alle eine Diagnose!« Wer sich in seinem Umfeld als Mensch mit XYZ outet, bekommt meistens – und meistens ungefragt – solche Sätze um die Ohren gehauen. Als ob sich eins um jeden Preis ein neues Label um den Hals hängen wollte! Wollen wir gar nicht, aber verstehen wollen wir.

Wie sicher bin ich denn, dass ich im Autismusspektrum bin und warum ist es mir ein Anliegen, darauf diagnostiziert zu werden?

Antwort: Vielleicht traue ich meiner Selbsteinschätzung nicht ganz und möchte gern, dass mir eine Person, die mich viel weniger gut und viel weniger lang kennt, kraft ihres Fachwissens zusichert, dass es tatsächlich so ist, wie ich es mir denke. Immerhin lag ich schon bei zwei anderen Diagnosen richtig, die anschließend offiziell medizisch bestätigt wurden.

Doch einmal ungeachtet von durch Dritte erteilten Diagnosen wünsche ich mir seit vielen Jahren schlicht eine Erklärung für mein So-Sein, für mein Anders-als-die-andern-Sein. Im Gegensatz zu all jenen, die ihr Ich-bin-so-verdammt-anders-als-der-Rest-der-Welt laut feiern und ihre Originalität betonen, wollte ich überhaupt nie anders sein. Ich wollte einfach nur dazugehören, mich zugehörig fühlen. Doch nichts da, ich eckte durch bloße Anwesenheit an – allerdings eher inwendig und unsichtbar. Mehr auf die Art, dass ich keinen Anschluss fand, nicht verstand, worüber gesprochen wurde und was von mir unausgesprochen erwartet wurde. Weil ich den Kontext nicht verstand. Weil ich nicht über die Witze lachen konnte – oder dann nur äußerlich, ohne sie lustig zu finden. Kurz gesagt: Weil ich anders war.

Seit ich dem von meiner Ärztin während der ADHS-Diagnostik geäußerten Verdacht, ich könnte autistisch sein, erst ein wenig, dann mehr und mehr Raum gegeben habe, mich eingelesen, viel recherchiert, viel verstanden habe, finde ich den Verdacht logisch. Unterwegs auf dieser Suche erlebte ich – was für ein Glück! –, dass ich nicht allein, sondern Teil einer Gemeinschaft bin. Die Freund*innen, die ich im Echtleben finden durfte, sind übrigens auch auf die eine oder andere Weise anders. Es geht nichts über Verbundensein.

Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass niemand freiwillig autistisch sein will. Wir, die wir anders als der größere Teil der Menschheit sind, wollen allerdings verstehen, was dieses Anders-Sein bedeutet und was uns ausmacht. Dabei zu erleben, dass wir nicht allein sind, tut gut.

In einem Gespräch mit einer Fachperson aus dem Psychiatriebereich erfuhr ich kürzlich, dass es in der Fachwelt in Bezug auf die Autismusspektrumstörungsdiagnose gerade ziemlich chaotisch zugeht. Alle möglicherweise Betroffenen scheinen auf einmal eine Autismusspektrum-Diagnose zu wollen, sagte diese Person. Die Diagnosen werden neuerdings frei Haus gestellt. Alle, die die Diagnose wollen, bekommen sie. Sagt mein Gegenüber. Es positionierte sich auf der Seite derer, die dieses geradezu inflationäre Drauflos-Diagnostizieren nicht gut heißen. Es werde zu leichtfertig diagnostiziert. Zu unabgegrenzt.

Die Fachperson führt es mir am Beispiel eines Symptoms vor. Sagen wir z. B. Person A leidet an ihrer Hypervigilanz. Weil dieses Symptom tatsächlich Autismus zugeordnet werde, ordnen die Diagnostiker*innen Person A automatisch auf die Autismusschiene ein. Statt zu schauen, welche anderen Krankheiten damit ebenfalls verknüpft seien und nach den Ursachen zu forschen. Es werde zu wenig nach umfassenderen Zusammenhängen geschaut. Trauma zum Beispiel. Außerdem sei Hypervigilanz – um beim Beispiel zu bleiben – ja auch ein ADHS-Syptom. Außerdem sei Autismus eine strukturelle Störung, während ADHS eine funktionelle Störung sei. Beide haben noch keine Biomarker, was die ganze Unklarheit noch verstärke. So viel zum Gespräch.

Ich persönlich finde solche Streitigkeiten peinlich; da ist mir zu viel Grundsatz-Misstrauen. Die Unterstellung der einen Seite, leichtfertig und damit eben auch unrechtmäßig Diagnosen zu stellen, lässt mich seitlich überholend in eine Nebenstraße abbiegen und fragen: Wem schadet es denn, wenn Menschen, die sich nach Erklärungen sehnen, eine (mögliche) Antwort – und im Idealfall sogar Hilfe – für ihre Situation bekommen? Ich frage mich auch, vielleicht ein bisschen naiv, ob denn der therapeutische Ansatz tatsächlich so anders wäre, wenn ein Symptom aufgrund einer Autismus- statt einer anderen Diagnose behandelt würde? Immerhn werden ja auch ständig noch nicht diagnostizierte Neurodivergente mit Standardmethoden behandelt, obwohl sie vielleicht ‚nur‘ wegen ihrer Neurodivergenz rezividierend depressiv sind und andere Methoden besser helfen würden. (Ich bin keine psychiatrische Fachperson, nur ein Mensch mit viel Therapieerfahrung. Und mit vielen Fragen.)

Soll womöglich, denke ich weiter, verhindert werden, dass sich Menschen von ihren Ärzt*innen empanzipieren, indem sie ihre Selbstdiagnose selbstbewusst als Fakt behandeln, statt sich weiterhin einreden zu lassen, dass sie eine Macke haben, die behandelt werden muss. (Sorry, das ist jetzt vielleicht ein bisschen zu flapsig ausgedrückt. Über Autismus-Therapien wie zum Beispiel ABA [Applied Behavior Analysis] wird viel diskutiert. »Autistische Verhaltensweisen werden durch Drill abtrainiert«, sagt Marlies Hübner hier hierzu.)

Lassen wir uns doch einfach alle so sein, wie wir sind, denke ich sehr oft, denn ich mag mich nicht mehr anpassen, ständig maskieren, vor Ausgelachtwerden schützen. Ich wünsche mir, dass wir uns alle in unserer Buntheit gegenseitig akzeptieren. Letztlich sind wir eh alle neurodivers.

Da fällt mir eine frühere Psychiaterin ein, die mir riet, jeder Diagnose gegenüber ein gewisses Grundmisstrauen zu haben. Jede Diagnose, sagte sie sinngemäß, basiere auf dem aktuell vorhandenen Wissen und werde jeweils im Kontext von Zeitgeist und aktueller Erfahrung definiert. Nichts sei für immer in Stein gemeißelt, alles verändere sich laufend. Und vieles – gerade auch über psychische Krankheiten und Störungen – wissen wir einfach noch nicht, vieles werde erst noch erforscht. Auch Dr. Devon Price, der Autor von Unmaskin Autism*, ermutigt dazu, sich von der Diagnostik durch Fachpersonen zu emanzipieren.

Was andere von außen an uns beobachten, entspricht nicht dem, was und wie wir etwas tatsächlich erleben. Darum geschieht eine Selbstdiagnose von innen heraus, aus Selbsterfahrung, Selbst(er)kenntnis, Selbstbeobachtung – im Abgleich mit dem aktuell erforschten Wissen und Verständnis. Nur wir selbst kennen unsere Stolperstellen, die Bereiche, in denen wir uns anders als Allistische und Neurotypishe verhalten. Und natürlich sind alle Hirne unterschiedlich. Ich meine hier jenes  ganz bestimmte Anderssein aller Autismus-Betroffenen. Wie sich allistische Hirne ähneln, ähneln sich eben auch autistische Hirne – bei aller Unterschiedlichkeit.

Zurück zu mir. Warum denke ich, dass ich autistisch bin, obwohl die Diagnostik noch nicht stattgefunden hat? Es ist die Vielzahl einzelner Symptome, die ich mir nicht mehr anders erklären kann. Dabei denke ich an jene Vielzahl von Symptomen, an denen ich litt, bevor ich wusste, dass ich histaminintolerant bin und die Ernährung komplett umstellte. Da waren Probleme mit dem Bauch, der Verdauung, dem Kopf mit all seinen Schleimhäuten, der Speiseröhre, der Haut. Dazu die häufigen Kopfschmerzen. Lange hatte ich alle Symptome unabhängig voneinander betrachtet und teils behandelt, immer ohne sichtbare Veränderung. Nach Umstellung der Ernährung kam endlich die Besserung. Weil eben alles zusammenhängt. Ähnlich war es mit dem ADHS. Viele Erklärungen fand ich mit dieser Diagnose. Viele Erklärungen fehlen noch.

Betrachte ich die Einzelsymptome im Zusammenhang miteinander, weisen sie deutlich auf Autismus hin. Wenn etwas muht wie eine Kuh, scheißt wie eine Kuh und aussieht wie eine Kuh, ist es meistens eine Kuh, heißt es doch so schön.


* erscheint im April 2025 auf Deutsch (Link)

Leben machen – Teil 15, Ablenkung

[Janne]
Heiligabend saß ich auf der Couch und raunzte meinen Mann an, er müsse auch mal akzeptieren, dass er mich nicht ablenken kann. Auch nicht mit schönen Dingen an schönen Tagen.
Ich war wieder nicht schwanger, mein Zyklus hatte 25 Tage. Das war unvorhersehbar und entsprechend unerwartet. Morgens hatte ich bereits negativ getestet und zwanzig Minuten geweint. 3 Stunden später setzte die Blutung ein, als würde meine Gebärmutter mitweinen.

Nach der ersten Trauer baute sich die nächste Welle auf. Das Zyklusmonitoring. Auch das würde damit nicht passend beginnen können. Zyklustag 3 bis 5 waren Feiertage bzw. Wochenende und die Klinik bis Neujahr zu. Der nächste Zyklus vertan, der nächste Monat doomed.
Für mich war das wie eine Dominokette into darkness. Die nächste Herausforderung, das nächste Warten, das nicht abgekürzt werden kann. Der nächste Moment, in dem der bis heute ungelinderte Frust über die Wartezeit, die ich schon vor dem aktiven Lebenmachen hatte. Die 3 Jahre, die ich auf meinen Mann gewartet habe, bis er endlich bereit war. Und dann noch das eine Jahr, das wir wegen der Pandemie gewartet haben.

Ich weiß, dass langem Warten nicht zwangsläufig das schnelle, große Glück folgt. Aber schön wärs und gerne hätt ichs.

Mit meinem Wartefrust habe ich meinen Mann noch nie konfrontiert. Von meiner Sorge, es könnten diese 3 Jahre gewesen sein, die die letzten waren, in denen es für mich überhaupt noch möglich war, ohne großes Tracking, Messen und Umstellen von irgendwas im üblichen Zeitrahmen schwanger zu werden, will ich ihn fernhalten.

Ich will ihm keine Schuld geben, aber der Grund fürs Warten war nun einmal etwas, das bei ihm lag und nicht bei mir. Wir hätten schon ein Kind haben können, als COVID-19 ausbrach, und das macht mich traurig. Und wütend. Und frustet so sehr.
Andererseits war es für viele Menschen mit Kleinkindern in der Pandemie und auch noch direkt danach richtig scheiße. Wer weiß. Hätte würde wenn, hättste könnste wennste – egal. Es ist jetzt, wie es ist. Aber ein Fan muss ich deshalb nicht davon sein.

Die Selbstregulierung in solchen Momenten ist schwierig für mich.
Es fällt mir schwerer als sonst, Audio zu verstehen – in solchen Momenten von hoher Erregung ist es für mich, als würden Menschen sehr lange Worte sagen, die ich nicht kenne. Und selbst wenn ich die Wörter verstehe, dann ist meine Übersetzungsfähigkeit für ihren Sinn im Kontext der Grammatik und des Gesprächs selbst massiv eingeschränkt. Man kann nicht gut mit mir reden in diesem Zustand. Gebärden, schriftlicher Chat, konkretes Zeigen (Vormachen) funktionieren besser.
Mein Mann vergisst das manchmal. Für ihn ist das keine intuitive Lösung.
Und so erfuhr ich ein Liebesbombardement der Ablenkung an dem Tag. Vielleicht, vermutlich, einigermaßen wahrscheinlich auch, weil er das brauchte.

Ich hingegen brauchte das nicht. Ich brauchte einen neuen Plan. Und Trost. Einen Spiegel für meine Trauer und Enttäuschung. Verständnis und Bedauern über den Umstand, dass wir nicht nur einen, sondern zwei Zyklen verlieren. Denn das ist ja auch Teil des Zyklusmonitorings – da passiert keine Behandlung, nur Beobachtung und direkt danach wird ja (wenn überhaupt) auch keine IVF passieren, sondern dessen Vorbereitung.

So ist es insgesamt ein Vierteljahr, das wieder einfach so vergeht. 3 Mal zweifelhaftes Supplementezeug kaufen, 3 Monate Ovulationstests, Schwangerschaftstests, 3 Monate kein Doping mit Cola (was für manche vielleicht lächerlich klingt, aber für mich mit meinem Workload wirklich das ist, was mir eine pünktliche Abgabe oder Tage mit vielen Besprechungen ermöglicht). 3 Monate, in denen jeder Monat eine Woche Warten auf den Eisprung, 2 Wochen Warten auf einen Test und eine Woche Trauer, mit der niemand groß belastet oder konfrontiert werden soll, bedeutet.

Das ist ein Vierteljahr, das natürlich auch noch viele andere Dinge innehaben wird – es werden sicher auch tolle Dinge passieren. Aber mein Kinderwunsch ist jeden Tag da und jeden Tag tue ich etwas, um ihn zu erfüllen bzw. wahrscheinlicher zu machen, weil ich das muss. Tue ich das nicht, wird es nichts. Ein „Ach scheiß drauf, jetzt mache ich mal was anderes“, kann einfach alles ruinieren, was ich vorher aufgebaut habe. Also scheiße ich nie drauf. Lasse mich nie ablenken. Bleibe immer dran und halte die Disziplin aufrecht.
Wahrscheinlich hilft mir mein autistisches Gehirn dabei sehr. Dennoch geht es dabei nicht nur darum, wie mein Gehirn funktioniert, sondern auch darum, dass ich mich dafür entschieden habe.

Wenn mein Mann mich ablenken will, dann ist das für mich, als wolle er mich umstimmen. Als wolle er auf ein Mal nicht mehr. Was für mich der absolute Super-GAU wäre. Entsprechend scharf werde ich in solchen Momenten.
Mir ist egal, wie sein Umgang mit der Enttäuschung ist. Er kann sich gerne ablenken und die Trauer vermeiden. Ich möchte nicht die Kraft aufbringen, sie zu vermeiden. Ich brauche sie für andere Dinge.

Mein #ADHS-Coaching Teil 7

Teil 7: Noch mehr Emotionsregulation

[Disa] Vor der Praxis ist das Parkfeld für zwei Autos von einem einzigen Auto fast ganz zugeparkt. Ich bin froh über mein Microauto, das dahinter knapp Platz findet. Wie mich solche Dinge jedes Mal von Neuem nerven! Ich hasse Rücksichtslosigkeit in jeglicher Form und bin noch immer ein wenig gereizt, als ich die Praxis betrete.

Nach dem üblichen kurzen Austausch erzähle ich, wie es mir so geht; dazu fasse ich den letzten Monat sehr sachlich zusammen und zähle all die stressigen Dinge der letzten Wochen (Auto-Reparatur, Fahrzeugprüfung, COVID, Zahnprobleme, depressive Episode) als sehr erschöpfende und anstrengende Situationen auf. Auch über meine anhaltende Erschöpfung und Müdigkeit, über die wir schon beim letzten Mal ja ausführlich geredet haben.

Dr. ADHS liegen meine aktuellen Laborergebnisse vom Vortag vor. Mein Ferritinwert ist zwar noch nicht besorgniserregend tief, aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich im März eine Infusion hatte, ist der Pegel doch recht tief und soll nicht wirklich tiefer fallen. Vielleicht haben wir hier eine Bestätigung für die Eisen-These (dass ADHS-Hirne mehr Eisen brauchen und anders verstoffwechseln), über die wir letztes Mal gesprochen haben. Ich soll jedenfalls ein gut verträgliches Eisenpräparat nehmen, für Infusionen ist mein Wert zu hoch. Vitamin D ist auch eher tief, ich könne gern mehr Tropfen nehmen, bis 5000 i. E. pro Tag, empfiehlt Dr. ADHS.

Ich bin zum Glück nicht mehr akut depressiv, auch die Erschöpfung ist nicht mehr ganz so raumgreifend wie noch vor ein zwei Wochen und ich nehme mich auch nicht mehr ganz so reizbar wahr.

Ob Eisen und Vitamin D hauptursächlich sind für meine Erschöpfung und das Gefühl, dass die Filter meiner ADHS-Mittels nicht mehr greifen, ist nicht ganz klar. Wir betrachten diesmal meine aktuellen Symptome (Erschöpfung, Depression, Motivationslosigkeit) genauer und sind damit wieder beim großen Thema Emotionsregulation und -steuerung.

Auf das Auftreten von Gefühlen haben wir, wie wiederholt festgestellt, keinen direkten Einfluss. Gefühle können wir nicht steuern, wir können jedoch unseren Umgang mit ihnen beeinflussen. Gefühle beruhen auf sehr vielen Einflüssen, unser Dopaminspiegel ist nur einer davon. Weitere Einflüsse sind interne (Hormone etc.) und externe (Erlebnisse etc.). Wir stehen immer in irgendwelchen Kontexten und unter irgendwelchen Einflüssen, alles macht etwas mit uns.

Kurz: Den Kontext können wir beeinflussen, nicht aber, was wir dabei fühlen. Unser Erfahrungswissen hilft bei Gefühls- und Stimmungstiefs: Wir wissen, dass alles Phasen sind, die vorüber gehen.

(Übrigens: Um nicht Augenkontakt halten zu müssen, schreibe ich viel mit. Inzwischen habe ich begriffen, wie oft ich mich zu Augenkontakt zwinge. Andern in die Augen zu schauen ist für mich kein natürliches Bedürfnis, sondern etwas, das ich mir als Kind antrainiert habe.)

Lachen hilft, sagt Dr. ADHS, und zuerst denke ich, sie macht sich ein bisschen über mich lustig. Doch dann erklärt sie, dass wir den Kreislauf Denken, Fühlen und Verhalten durchaus mit unkonventionellen Tricks durchbrechen können. Früher dachte man, es müsse mit Anders-Denken angefangen werden, um auf destruktive Verhaltensmuster und Gefühle einwirken zu können. Heute weiß man, dass auch mit relativ banalen Verhaltensveränderungen angefangen werden kann. Zum Beispiel mit willentlichem Lachen, mit dem Verziehen des Gesichts zu einem Lachen, mit einem So-tun-als-ob-Lachen, das dem Hirn signalisiere, dass wir uns gut fühlen. Auch so kann ein destruktiver Kreislauf durchbrochen werden. Mit einem Bleistift zwischen den Zähnen könne ein Lachen imitiert werden, die Gesichtsmuskeln würden zu einem Lachen verzogen und mit diesem Gesicht sei es schier unmöglich, sich weiter in der depressiven Negativ-Spirale zu bewegen. Na ja … ich bin bei sowas ja immer skeptisch.

Wie wir uns verhalten – will heißen, wie wir auf Gefühle reagieren –, haben wir als ADHS-Betroffene dank Medizin selbst in der Hand. Und ja, ich fühle mich tatsächlich meinen Gefühlen nicht mehr so machtlos ausgeliefert wie früher, mache ich mir einmal mehr bewusst.

Ich entscheide also – idealerweise bewusst –, ob ich auf ein schwieriges Gefühl mittels Abschwächen oder lieber durch Übersteuerung reagieren will.

Als Beispiel nehmen wir meine Motivationslosigkeit. Wie kann ich mich selbst wieder mehr motivieren und mich aus meiner aktuell schweren Unmotiviertheit, die ich dazu auch noch sehr schwierig aushaltbar finde, herausholen?

Abschwächen hieße hier, mir durch eine Art Vorabbelohnung Anlaufenergie zu holen. Konkret: Ich könnte vor der ungeliebten Arbeit etwas tun, das mir Freude bereitet und den Akku auffüllt (Hörbuchhören und dazu malen z. B.). Allerdings bestimme ich vorab eine Zeit und höre auf, hemme den Impuls sozusagen, selbst wenn ich einen Lauf habe, und setze mich schließlich an die ungeliebte Aufgabe.

Übersteuern hieße in diesem Fall die Motivationslosigkeit schlicht zu ignorieren und mich unmittelbar auf die ungeliebte Arbeit zu stürzen. Das setzt voraus, dass ich mich selbst von der Dringlichkeit oder Notwendigkeit der Arbeit zum Beispiel überzeugen kann. Einfach ist das nicht, auch wenn es so klingt. Übersteuern bedeutet quasi ’Augen zu und durch’.

(Dabei passiert etwas im präfrontalen Kortex, eine kognitive Leistung. Wie so oft kapiere ich nicht immer alles, was mir Dr. ADHS erklärt. Oder ich verstehe es nur kurz, beim Zuhören, daheim ist es bereits wieder vergessen.)

Weder das eine noch das andere finde ich einfach, logisch und einfach so zugänglich, außerdem bin ich aktuell Weltmeisterin im Prokrastinieren.

Dennoch ist mir beim Zuhören aufgefallen, dass ich mich im Grunde so ähnlich, also mit einem Mix aus Abschwächen und Übersteuern, aus der Depression herausgeholt habe: Ich hatte mich auf ein Thema gestürzt, Autismus, und mich da so richtig tief reingekniet. Während ich mich tief auf dieses für mich wichtige Thema einließ, blendete ich die ganze depressive Denklast phasenweise komplett aus. Vielleicht ist das nicht gerade das Idealbeispiel, aber irgendwie ahne ich, was mit diesen zwei Möglichkeiten der Emotionsregulation gemeint ist. Es geht letztlich um das möglichst unbeschadete Umschiffen einer schwierigen Situation.

Seit ich MPH nehme, empfinde ich meine ADHS-Symptome weniger vordergründig, erzähle ich gegen Ende der Sitzung, ich nehme seither meine Autismussymptome deutlicher wahr, sie sind sozusagen freigestellt. Bei meinen Recherchen zum Thema habe ich ständig Aha-Erlebnisse. (Dr. ADHS nimmt diese Gedanken wertfrei zur Kenntnis. Ich kann mir vorstellen, dass sie die Forschung um AuDHS, also die Kombi zwischen beiden Seinsarten, auch verfolgt.)

Ich erfahre abschließend, dass Lichttherapie am Morgen am wirksamsten sei, weshalb ich meine Lichttherapielampe inzwischen ins Schlafzimmer geholt habe. Ich sage, dass ich keine Antidepressiva nehmen will. Im Vergleich zu den früheren Depressionen, war die aktuelle mittelschwer und zeitlich eher recht kurz (ca. 2-3 Wochen). Das ist überschaubar und erträglich. (Bei allen AD hatte ich üble Nebenwirkungen und wenig Benefit.)

Als ich die Praxis verlasse, ist das rücksichtslose Auto verschwunden. Immer wieder schön, wenn sich Probleme von allein lösen.

(Dezember 2024)


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Fortsetzung folgt

Leben machen – Teil 14, einen Schritt zurück, den zweiten nach vorn

[Janne]
Die Abteilung ist ruhig, es ist der vorletzte Arbeitstag für die Mitarbeiter*innen vor dem Urlaub. Für meinen Mann und mich perfekt. Wir brauchen keine Maske tragen, ich keinen Gehörschutz.
Wir sitzen im kleinen Wartezimmer, als ich unruhig werde.
Obwohl ich mich gut vorbereitet habe, bekomme ich nun doch Angst davor, dass mir das Gespräch entgleitet. Dass ich vergesse, was gesagt und geplant wurde. Dass ich in meinem Kopf keine Reihenfolge formen kann, in der danach Dinge passieren sollen. Dass ich wie beim Erstgespräch in der früheren Praxis einer Untersuchung zustimme, obwohl ich insgeheim nicht möchte.

Auch heute machen mich solche Momente noch sehr einsam. Obwohl mein Mann nun wirklich kein unsensibler Klotz ist und sich immer bemüht, mir zu zeigen, dass er für mich mit aufpasst und mitdenkt.
Aber autistisch ist er nicht.
Für ihn geht es ums Zuhören und Aufpassen, für mich geht es ums Verstehen und Begreifen. Darum, dass ich von Fragen überrumpelt und uneindeutiger Gesprächsführung verwirrt werde. Darum, dass wir uns in der Gynäkologie befinden und damit im Bereich empfindlicher Körpergrenzen.

Worin wir vereint sind, ist die Annahme, dass es kein angenehmes Gespräch wird.
Immerhin steht da doch ein bisschen Versagen im Raum. Wir kriegen nicht hin, was so viele einfach hinkriegen. Und wie so viele behinderte Menschen beantworten wir das in unserem geheimen, intimsten Inneren damit, dass wir einfach nicht gut genug sind. Nicht mal richtig ficken können wir.
Wir nehmen einfach an, dass andere Menschen das denken. Oder schließen das aus der allgemeinen Ansprache, die üblicherweise so ist, als würden behinderte Menschen keinen Sex oder überhaupt Interesse daran haben.
Und direkt daneben wissen wir, dass nicht-behinderte Menschen uns so ansprechen, weil sie genau das wollen. Sie wollen nicht, dass wir Sex haben, denn mit dem Sex kommen in der Regel auch die Kinder und wir Erwachsenen sind ja bereits eine Belast – äh – Herausforderung.

Und weil wir das wissen, sind wir nicht offen mit unseren Behinderungen. Sagen nicht, dass wir beide einen GdB von 70 haben, solange das nicht wirklich nötig ist.
Dass es nötig sein wird, wissen wir von Anfang an. Doch wann wir das sagen, liegt bei uns und dieses eine Crip-Privileg nutzen wir bis zum bitteren Ende.

Das Ende unserer Wartezeit begann mit dem Eintreten der Ärztin, die uns freundlich lächelnd und schwungvoll begrüßte. Kurze graue Haare, Krankenhauskleidung in hellblau. Prof. Dr. med. Nachname auf dem Namensschild an der Brust.
Wir hatten ein außerordentlich tolles Erstgespräch.
Sie machte Zeichnungen, um Zusammenhänge zu erklären. Zeigte uns Zahlen und Studienergebnisse. Beantwortete unsere Fragen, bevor wir sie stellten und fragte uns nach Dingen, die zuvor nicht abgefragt wurden.

So erfuhren wir, dass die frühere Praxis noch nicht einmal mit der Ursachenforschung fertig war, bevor sie uns in Richtung IUI (IntaUterine Insemination) gelenkt hat. Eine Behandlungsmethode, die allgemein eine eher geringe Erfolgschance bietet, aber unkompliziert vorgenommen werden kann und (in dieser Praxis) „nur“ etwa 350 € pro Versuch kostet.
Ein Spermiogramm allein reicht nicht für eine ordentliche Beurteilung.
Eine Blutabnahme von vor 6 Monaten ist auch nicht aussagekräftig.
Wir gehen zurück auf 0 und fangen nochmal neu an.

Mein nächster Zyklus wird mit Blutabnahmen und einer Ultraschalluntersuchung einhergehen. Das Ejakulat meines Mannes wird in einer Langzeitkultur untersucht.
Das kann ich auf dem Zettel ablesen, den wir mitbekommen haben.
Dort steht nicht nur drauf, was kommt, sondern auch wo ich wann anrufen und was ich dort sagen muss. Es wird nur das passieren. Um andere Dinge müssen wir uns vorerst keine Gedanken oder Sorgen machen.
Ich muss nicht einmal in die Klinik kommen für die Blutabnahmen. Wenn es zu anstrengend oder einfach nicht möglich ist zu kommen, kann ich das Blut in der Hausarztpraxis abnehmen lassen und mit der Post zusenden. Da die Klinik über eine Stunde Fahrzeit von uns weg liegt, kommt mir das sehr entgegen. Am Tag meiner Ultraschalluntersuchung wird mein Mann dann auch seine Probe abgeben.

Die Effizienz und der Pragmatismus des Ganzen machen mich glücklich.
Ich habe das Gefühl, dass wir zwar back to the basics gehen – gleichzeitig aber auch einen zweiten Schritt nach vorn. Sehr kontrolliert, transparent, noch weit entfernt von Kosten- und Entscheidungsdruck.

Und das alles, während ich aktuell noch ein bisschen hoffe, dass es diesen Monat vielleicht auch schon von allein geklappt hat.
Heiligabend kann ich testen.
Das wär ja was.

Leben machen – Teil 13, Asthenozoospermie

[Janne]
Das ist also die erste Diagnose. „Asthenozoospermie“
Die steht auf dem Befundzettel meines Mannes. Der Befundzettel, den ich angefordert habe, weil wir die Praxis wechseln. Mit meinem Mann, dem von der früheren Praxis gesagt wurde, es sei alles okay.

Asthenozoospermie, das liegt laut DocCheckFlexicon vor, wenn weniger als 40 % der Spermien motil sind oder weniger als 32 % progressiv motil. Motil, das meint die Beweglichkeit. Warum man in diesem Kontext nicht „mobil“ sagt, schaue ich lieber nicht nach, wer weiß, wann ich aus dem Tunnel wieder rauskomme.
„Progressiv motil“ bedeutet, dass sich die Spermien nach vorne bewegen können. Das sind die, die nicht nur auf der Stelle zappeln, sondern es wirklich bis nach oben in den Eileiter schaffen können.

Nun ist es so, dass sich die Qualität je nach Tagesform verändern kann. Diese Diagnose ist also tatsächlich nur eine Momentaufnahme, ein Sichtbefund. Es kann sein, dass ein weiteres Spermiogramm ein anderes Ergebnis zeigt.
„Okay“ ist das Ergebnis auf meinem Schreibtisch aber nicht. Und ich ärgere mich darüber, dass die Sprechstundenhilfe ihm nicht gesagt hat, dass ein Gespräch mit der Ärztin darüber gut wäre.
Denn das Spermiogramm wurde Ende April erstellt. Jetzt ist Dezember. Wenn mein Mann doch dauerhaft zu wenige Spermien hat, haben wir ein halbes Jahr verloren.

Immerhin war mein Bauchgefühl, die Praxis zu wechseln, richtig.
Ich werde bei dem Kennenlerngespräch in der neuen Praxis direkt um einen Termin für eine ITI (IntraTubare Insemination) bitten.
Wir bekommen keine Tests und Behandlungen, die den Kinderwunsch betreffen, von der Krankenkasse bezahlt. Also werden wir kein Geld für weitere Spermiogramme ausgeben. War offenbar sowieso ein ziemlicher Albtraum, die von meinem Mann so genannte „Wichskammer“.
Und wenn meine Eileiter doch verschlossen sind, wird man es bei der Methode ja definitiv erfahren.

Mein Eisprung ist nächste Woche. Den nehmen wir natürlich mit. Im doppelten Sinne. Der Termin in der neuen Praxis ist eine Woche später.
Die frühere bekommt von mir definitiv eine schlechte Bewertung. Ich bin so verärgert, da lege ich mir sogar einen Google-Account an.

Mein #ADHS-Coaching Teil 6

Teil 6: Mein Umgang mit Ressourcen, physisch und mental

[Disa] Diesmal bin ich mit Zug und Bus zur Therapie gefahren, weil das Auto gewartet wird. Eigentlich wäre es ökologischer, doch leider ist mein Energievorrat nach der dreiviertelstündigen Reise ziemlich aufgebraucht. Das Unterwegssein unter Menschen, der Lärm der Bahnhöfe und auf der Straße, als ich auf den Bus warte, zeigt mir deutlich, wie es aktuell um meine Energie steht. (Na ja, nicht nur jetzt stressen mich Bahnhöfe, Straßen und Menschen, aber doch deutlich mehr als auch schon.)

Nachdem ich Dr. ADHS kurz erzähle, wie es mir die letzten Wochen ergangen ist, leite ich zu meinem aktuellen Thema über: meine schon seit einigen Wochen anhaltende Dauererschöpfung. Keine Müdigkeit, die durch Ausschlafen, überhaupt durch Schlaf, aufgelöst werden könnte, sondern eine, die macht, dass ich wenig, noch weniger, erledigt bekomme. Ob es einen Zusammenhang zu meiner aktuell sehr gegenwärtigen Motivationslosigkeit mit Depressionsnähe gibt, weiß ich nicht. Es ist, als würde das D-MPH, das ich seit einem Jahr nehme, nicht mehr richtig wirken. Ich erwähne das Mitarbeiterinnengespräch mit meinen Chefinnen, die bevorstehenden Fahrzeugprüfung und den Zahnnotfall, um ein paar Baustellen aufzuzeigen. Und wie mich das alles total erschöpft.

Dr. ADHS fragt, was genau ich von ihr brauche und erhoffe. »Na ja«, druckse ich herum, »dass Sie wieder so eine hilfreiche Lösung aus dem Hut zaubern wie letztes Mal … Hilfreiche Tipps oder Strategien.«

Dr. ADHS schaut eine Weile auf den Bildschirm ihres Laptops, scrollt – so vermute ich – durch meine Krankengeschichte und sagt, dass demnächst meine Jahreskontrolle (Blut, EKG etc.) anstehe. Energielecks können, sagt sie, unterschiedliche Ursachen haben. Als erstes müssen wir feststellen, wo meine Energie versickert, um mir wieder Energie zuführen zu können. Damit ich wieder zu mehr Lebensqualität kommen kann.

Sie zählt auf, was unseren Energievorrat beeinflusst: Ernährung, Verdauung/Resorption, Stressfaktoren, Infektionen. Mein Ferritin-Wert sei ja vor einem Jahr sehr im Keller gewesen, sagt sie mit Blick auf den Laptop.

»Ja«, sage ich, »das ist bei mir fast immer so. Darum habe ich nach der Jahreskontrolle im Februar eine Eiseninfusion bekommen. Danach ist nochmals ein Labor gemacht worden.«

Dr. ADHS erzählt, die neuere Forschung gehe von einem Zusammenhang zwischen erhöhtem Eisenbedarf und dem ADHS-Hirn aus. Dass ADHS-Hirne Eisendepots anders bewerten, einsetzen und einen höheren Bedarf haben. *Shameonme* So richtig habe ich das alles nicht verstanden, meine Konzentration ist aktuell nicht die Beste. Jedenfalls seien wohl etwa die Hälfte aller ADHSler*innen davon betroffen. (Ich lasse das jetzt mal so stehen, da ich keine weiteren Fakten oder Quellen dazu habe.)

Schließlich kommen wir vom Eisen zu Vitamin D, das bei mir auch immer eher im Mangelbereich ist – und erfahrungsgemäß bei mir sehr direkt mit Stimmung und Motivation korrespondiert. (Sie empfiehlt im Winterhalbjahr täglich bis zu 5000 i.E., was etwa doppelt so viel ist, wie ich bisher jeweils genommen habe. Gerade nehme ich aber noch kein Vitamin D, als wir darüber sprechen. Ich vergaß zu fragen, ob das bei ADHS-Betroffenen anders sei als bei neurotypischen Menschen). Beides werde ich bei der Jahreskontrolle, die bald ansteht, mit meiner Hausärztin anschauen.

Omega 3-Fettsäuren seien ebenfalls sehr wichtig für den Energiehaushalt, ergänzt meine Ärztin, und natürlich Magnesium, das ich bereits regelmäßig in Kombination mit Calcium nehme, das es mir gegen die MPH-spezifischen Verspannungen hilft.

Dr. ADHS ist zuversichtlich, dass meine Energie wieder zurückkehrt. Eisenmangel lasse die ADHS-Symptome wieder aufleben und deutlicher in den Vordergrund treten, ergänzt sie die vorherigen Infos. Also genau das, was ich aktuell bei mir beobachte. Ich bin wieder gereizter, reizempfindlicher – fast so als nähme ich die Medikamente nicht. Was natürlich auch mit den ganzen Stressfaktoren zusammenhänge, sagt sie, denn die Medikamente und meine Reaktion darauf sind ja nicht immer gleich, tagesformabhängig und bei weitem nicht die einzigen Faktoren, die meine Lebensqualität beeinflussen.

Fakt ist, dass ich langzeiterschöpft bin. Trotz der Medikamente.

Dass ich wieder viel lärm- und reizempfindlicher bin, inbesondere bei der Arbeit, ist ein Gefühl. Dieses aktuelle Gefühl an sich kann ich zwar nicht ändern, ich kann jedoch überlegen, wie ich damit umgehen kann. Ich kann auch die andern Menschen nicht ändern, nicht leise stellen wie ein Radio, aber ich kann meine Haltung zu den Stressoren sozusagen bewusst und strategisch ändern. (Es lohne sich nur, in den Krieg zu ziehen, wenn Aussicht auf Erfolg bestehe. Andernfalls sei es strategisch klüger, die Energie dafür nicht zu verschwenden.)

Wir sprechen über den Sinn von Anpassung und ich merke, dass mich das Thema wie immer triggert.

Nur dank Anpassung habe die Menschheit überlebt, Survival of the fittest, sagt Dr. ADHS ein wenig provokativ. Es ist nicht das erste Mal, dass wir darüber reden. Wir philosophieren gern. Ich erzähle von meinem Trotz, den ich gegenüber dem Begriff Anpassung aufgebaut habe und von meinem Gefühl, immer die gewesen zu sein, die sich angepasst, die nachgegeben habe … und dass ich der Anpassung gegenüber müde, resigniert und zugleich auch wütend geworden sei. Da ich auch immer wieder diese Ohnmacht und Hilflosigkeit, weil ich die Gegebenheiten nicht ändern kann. Und die Sehnsucht danach, dass die Gesellschaft weiter, freundlicher und toleranter wäre.

Wir unterscheiden Gefühle von Fakten. Aufgrund der Fakten gilt es nach Lösungen zu suchen. Eine Erste-Hilfe-Lösung ist bereits aktiv. Ich habe mein kleines Arbeitspensum noch weiter reduziert. Vorerst bis im Februar. Das fühlt sich genau richtig an. So kann ich wieder zu Kräften und zur Ruhe kommen und die leeren Vitamin-und-Nährstoff-Depots wieder auffüllen.

Auf gar keinen Fall soll ich die Erschöpfung kleinreden, sagt Dr. ADHS, ich soll sie ernst nehmen, als Tatsache. Sie ist keine Ausrede dafür, dass ich gerade so wenig schaffe. Ich soll mir die notwendige Ruhe gönnen. Das sei nicht egoistisch, das sei wichtig.

(November 24)


Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5

Alle Teile

Fortsetzung folgt

Leben machen – Teil 12, mit der unangenehmen Wahrheit

[Janne]
Im Kinderwunsch sieht man überall Babys und Schwangere. Und weil ich auf allen möglichen Plattformen alles Mögliche zu Kinderwunsch und Schwangerschaft lese, kostet es enorm viel, aktiv zu anderen Themen zu gehen. Wie ein Hürdenlauf ist das manchmal. Hopp! Über Werbung für Nahrungsergänzungsmittel – unter Infogruppen-Terminen durchkrabbeln! Und dann noch eine Swat-Rolle, um zu so heiteren Themen wie Krieg, Klimakatastrophe und Nazis in politischer Verantwortung zu kommen!

Es ist anstrengend und nicht immer habe ich die Kraft dafür. Umso schwieriger wird es, wenn ich in Kontexten unterwegs bin, wo es bisher kaum persönlich für mich geworden ist. Zum Beispiel im Training. Da gehe ich hin, mache mit und versuche beim Socializing am Ende möglichst sympathisch zu wirken, um meine Zugehörigkeit zu performen.
Das ist schwierig, wenn eine Person dann verkündet, dass sie schwanger ist. Alle sagen freudig „Ah“, gratulieren, das Thema der nächsten Monate wird immer wieder ihre Schwangerschaft sein. Oder die Erfahrungen der anderen Leute, die schon schwanger waren und/oder (lebende) Kinder haben.

Ob noch jemand in der Mannschaft einen unerfüllten Kinderwunsch hat, werde ich vielleicht nie erfahren, denn das sieht man oft nicht in diesem speziellen Fokus des Kinderwunsches. Und in so einer Runde wird es höchstwahrscheinlich auch niemand sagen.

Ich bin aus dem Training gegangen und fühlte mich mies.
Wir hatten in diesem Zyklus keine idealen Bedingungen, im Geist habe ich auch dieses Ei bereits abgehakt. Meine Unzufriedenheit darüber hat kein äußeres Ventil, außer meine Texte hier. Das Sprechen mit anderen ist vorbei. Zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich noch verletzbarer werde, als ich mich bereits fühle. Oder unverhältnismäßig viel Wut hochkommt.
Meinem Mann wäre ich am liebsten ins Gesicht gesprungen, als er auf diese Episode meinte: „Man muss auch gönnen können.“
Die unangenehme Wahrheit ist, dass ich das nicht mehr kann. Nicht aufrichtig, herzlich. Kopfisch – natürlich. Seelisch – nope. Service unavailable.

#AuDHS = #ADHS + #Autismusspektrum | Nachdenken über Schnittmengen und Gegensätze

[Disa] Als Kind bekam ich von meiner Tante M. ein Taschentuch für Zwillingsgeborene. Auch sie war Zwilling, ebenso meine Mutter und einer meiner Brüder, dem unsere Tante ebenfalls so ein Taschentuch schenkte. Weil ich Tante M. und ihre ansonsten pädagogisch wertvollen Geschenke mochte – die Matrjoschka und das Dalarna-Pferdchen habe ich sogar ins Erwachsenenalter gerettet –, zweifelte ich nicht an der Botschaft auf dem Taschentuch, leichtgläubig wie ich war. Also wuchs ich, dank Taschentuch, im Glauben auf, meine Zwiegespaltenheit in allen Dingen, die ich schon als Kind sehr bewusst wahrnahm, sei astrologisch vorherbestimmt. Der Text auf dem Taschentuch war da sehr eindeutig.

Heute weiß ich es besser. Astrologie ist Quatsch und meine Buntheit hat mit meinem So-Sein zu tun. Während der ADHS-Diagnostik erwähnte meine gute Dr. ADHS, dass manche meiner Testergebnisse auf Autismus hinweisen könnten. Sie kenne sich allerdings nicht gut genug aus, um das beurteilen zu können.

Noch habe ich keine Autismusdiagnose, die Warteschlangen zur Diagnostik sind lang. Ich hoffe, dass ich in einigen Monaten mehr weiß. Inzwischen habe ich mich selbst schlau gemacht und weiß daher, dass die Kombi Autismus/ADHS so selten gar nicht ist, ich nenne sie hier kurz AuDHS.

Seit einem Jahr nehme ich ein Medikament, das mein ADHS-Hirn unterstützt. Seither fühle ich die autistischen Symptome deutlicher. Ich empfinde sie quasi als freigestellt … Vorher haben sich die beiden Wesensarten gegenseitig überlagert und sorgten so für eine ziemlich anstrengende eingeschränkte Lebensqualität. Hott und Hü. Mit und dank Medikament erkenne ich die Prozesse in mir deutlicher, kann vieles besser handhaben und die Lebensqualität ist generell deutlich gestiegen.

Auf der folgendem Grafik fasse ich meine persönlichen Symptome zusammen. In der Mitte die Schnittmenge, in den zwei äußeren Spalten meine Symptome, die entweder der einen oder der anderen Diagnose zugehörig sind.

Meine Zwiegespaltenheit, siehe oben, hat also – so erkenne ich heute – mit den gegensätzlichen Kräften in mir zu tun. Ich habe die für mich gegensätzlichsten Kräfte farbig markiert. Neurodivergenz ist zwar bunt, aber oft ganz schön anstrengend.

Ich wünsche mir, das ich diese ganze Mélange weiter entspannen kann, noch mehr Druck herausnehmen. Noch weiß ich zwar nicht wie, aber ich übe weiter …

+++

Bildbeschreibung/Alternativtext unter der Grafik:
(Draufklick für groß)

Textgrafik, Text unter der Grafik lesbar

Die Grafik zeigt zwei Kreise. Der linke Kreis ist mit Autismusspektrum übertitelt, der rechte mit ADHS. Die Kreise haben eine Schnittmenge.

Der linke Kreis hat folgenden Inhalt:

  • Hoher Ruhebedarf,
    generell tiefes Stresslevel
  • Gern im Rückzug (Schneckenhaus/Kokon) | Regeneration am besten allein oder nur mit Partner | Natur hilft bei der Regeneration
  • Bemerken/Wahrnehmen kleiner Details, die andere nicht sehen
  • Hoher Bedarf an Struktur, Regeln, Routinen & Planung, Vorhersehbarkeit, Wiederholung, | Veränderung von Abläufen ist sehr stressig | Vorbereitung und klare Abmachungen sind wichtig
  • Berührung/Anfassen mancher Dinge wird als sehr unangenehm empfunden | (unangekündigtes) Berührtwerden ist unangenehm
  • Augenkontakt ist kein natürliches Bedürfnis
  • Oftmaliges Nichtverstehen von Ironie u/o sozialen Codes

Der rechte Kreis hat folgenden Inhalt:

  • (Innere) Hyperaktivität & Impulsivität
  • Grenzenlosigkeit/überbordende Grenzen
  • Hoher Stimulations- & Inspirationsbedarf
  • Exekutive Dysfunktion & Chaostendenz bei Umsetzung von Plänen & im Haushalt/Ordnung
  • Unterstimulation erzeugt Unkonzentriertheit und fördert Ablenkbarkeit und Fehlerbereitschaft
  • Zeitblindheit (auf einmal ist viel Zeit vergangen)
  • Motivierbarkeit bei uninteressanten Aufgaben sehr schwierig
  • Gleichzeitige Wahrnehmung von Ereignissen, was Priorisieren schwierig macht

Die Schnittmenge hat folgenden Inhalt:

  • Hyperfokus
  • Reizempfindlichkeit (Licht, Geräusche/Lärm, Geruch/Gestank, Berührungen)
  • Reduzierte Energiereserven
  • (Synästhesie & MirrorTouch)
  • Dauerhafte anstrengende Anpassungsleistung (Masking)
  • Ablehnungsangst/-empfindlichkeit
  • Soziale Ängste/Beziehungsfindung/-pflege
  • Stimming