Leben machen – Teil 3, in dem es um Wunder geht

[Janne]
Wunder, das sind unvorhersehbare und unerklärbare Geschehnisse.
Und trotzdem sprechen viele Menschen von einem Wunder, wenn es um Babys geht. Mich verwundert das, denn mir ist einigermaßen unerklärlich, warum sie das tun.

Während ich im Wartezimmer der Kinderwunschpraxis saß, betrachtete ich die Baby-Fotowand, die dort wie die Krücken in der Grotte von Lourdes platziert ist. So als wollten sie allen, die hier herkommen, in diesen verheißungsvollen Wallfahrtsort der Kinderwünschigen, zeigen: „Ja, es ist möglich!“

Während meines Termins in der Praxis gab es keinen Moment, in dem ich das Gefühl hatte, mich einem Wunder zu nähern.
Viel mehr fragte ich mich, ob meine seelische und körperliche Integrität hier erhalten bliebe und ob das nicht eigentlich eher ein Wunder erfordert.

Das Telefon klingelte während unseres ersten Termins. Vier Mal. Und vier Mal ging die Ärztin dran und sprach mit den Mitarbeiter*innen am Empfang.
Ich hatte schon kein Gefühl mehr für die Informationen, die uns vermittelt wurden. Reihenfolge der Untersuchungen, was ist nötig, was nicht – wer macht was und wie – für mich war das ein einziger Brei.
Diese Momente der Desorientierung machen mich unsicher. Sie ziehen viel Energie und meine Schwelle zum maskierten Roboter zu werden sinkt. In diesem Zustand habe ich keinen Zugriff mehr auf mich selbst. Ich mache mit und stimme zu, weil ich nicht mehr weiß, was ich möchte.
So kam es auch dazu, dass ich direkt an Ort und Stelle untersucht wurde. Mein Mann ging raus und kümmerte sich um einen Termin für sein Spermiogramm – die Gynäkologin ging in mich rein und schallte meinen Uterus.
Informationsgewitter während ich immobilisiert und ent-intimisiert bin. Wunderlich, wie dieser Umstand keinerlei Berücksichtigung fand. Dass ich mich so fühle, das kann doch niemand wollen.

Am Ende stieg ich zurück in meine Unterwäsche und rein ins Laborzimmer. Blut abnehmen, Termine eintragen. Mein Mann wartete draußen.
Kein Wunder. Ein Paar mit Zwillingen war gerade in die Praxis gekommen. Ein Paar, das vermutlich sehr detailliert beschreiben kann, wie es zu diesen Kindern kam, denn hier passiert absolut nichts Unerklärliches oder Unerwartetes. Der Schleier des Ungesehenen und Unerklärlichen – in einer Kinderwunschpraxis ist er weitgehend gelüftet. Das Wundern über die (unerwartete) Entstehung eines Kindes – es bleibt ein Moment im Leben der einfach-so-schwanger-Werdenden.