[Janne]
Überraschend intim wurde der Moment, in dem mich jemand fragte: Wie fühlt sich der Kinderwunsch an?
„Wie Hunger“, antwortete ich.
„Wie Hunger, der nichts mit Lust zu tun hat“, dachte ich beschämt.
Die Person wollte wissen, ob die Konsequenzen dieses Wunsches denn so gar keine Rolle spielen. Ob denn da gar keine Angst ist. Und ich fand einen Weg, es zu beschreiben, ohne die Dringlichkeit, die Gier, die manchmal umwerfend krasse Unbedingtheit meiner Kinderwunschgefühle zu benennen.
Das habe ich inzwischen eingeübt, denn viele Menschen haben schlicht Angst vorm Kinderhaben. Der Verantwortung, dem Anspruch. Und Angst ist ein gnadenloser Empathiekiller. Ich möchte nicht, dass Menschen vor lauter eigener Angst kein Mitgefühl mehr für mich aufbringen. Egal, ob ich kinderwünschig oder mit Kindern lebend bin.
Mein Kinderwunsch fühlt sich manchmal an wie eine Blasenentzündung. Ich muss immer, aber es tut sich nichts. Und wenn doch – und sei es nur hypothetisch in den zwei Wochen Hibbelei – tut es weh, weil es nicht einfach so läuft.
Ich erlebe meinen Kinderwunsch als zutiefst innerlich und damit fernab von der Rationalität, die für Angst erforderlich ist.
Ich fühle da einen Drang, einen Trieb, der von etwas ausgeht, das in mir angelegt ist wie meine Augenfarbe, meine Körperstruktur, meine allgemeine Verdrahtung.
Das hat nichts damit zu tun, ob mich die Gesellschaft drängt und treibt. Als behinderte Person ist das vermutlich ohnehin das Letzte, was ich zu erwarten habe.
Ich glaube nicht an biologische Uhren und auch nicht an Kinder als das, was ein Menschenleben erst komplett macht.
Aber ich glaube an das Leben.
Ohne den Fortpflanzungstrieb gäbe es den Menschen schon lange nicht mehr und doch haben Menschen es geschafft, Scham darüber zu etablieren. Der Mensch soll dem Trieb nicht unterlegen sein. Er soll ihn beherrschen und kontrollieren. Das Tier mag triebgesteuert funktionieren, aber der Mensch doch nicht. Der kann doch nachdenken und planen. Der kann es doch richtig machen. Wer es nicht richtig macht, ist falsch. Dem Tier sehr nah. Kein richtiger Mensch mehr.
Klingt brutal, ist es auch.
Klingt sehr bewusst, ist es aber oft nicht.
Ableismus ist oft unbewusst. Die Abwertung, die Gewalt dahinter unsichtbar.
Und betrifft alle.
Auch alle, die erst an die Konsequenzen von Kindern denken, bevor sie erfühlen, wie das eigentlich ist, dieses Kinderwünschen. Erst daran zu denken, was alles schiefgehen kann, erst allen Horror durchzudenken und vorwegzunehmen, ist eine Schutzreaktion. Eine Strategie der Angstbewältigung.
Und Angst kann nur da entstehen, wo Sicherheit fehlt.
Ableismus nimmt genau diese Sicherheiten.
Ich hole meine Sicherheitsgefühle nicht aus meiner menschlichen Überlegenheit gegenüber Tieren oder meinen Fähigkeiten. Ich ziehe sie aus dem Wissen, dass das Leben immer ist und wird. Ob in meiner Form oder nicht – total egal. Ich werde gelebt haben und vielleicht auch ein Kind. Mehr ist eigentlich irrelevant. Deshalb ist es ein Trieb und eben nicht nur ein Wunsch, wie wir Menschen das nennen, um uns gegenseitig die Angst zu nehmen.