Was bei #ADHS helfen kann | Medikamente nehmen Teil 1

[Disa] »Wie ist das eigentlich? Wie war das bei dir, als du angefangen hast, ADHS-Medikamente zu nehmen? Und heißt es eigentlich Medikamente für oder gegen ADHS?« Diese Frage wurde mir – nach dem ich da und dort von meiner jüngt erhaltenen ADHS-Diagnose zu erzählen begonnen habe – immer mal wieder so oder ähnlich gestellt.

Voranstellen muss ich, dass ich keine Medikamente nehmen wollte, bevor ich verstanden habe, wie ein ADHS-Hirn tickt. Bis jetzt habe ich ja sowohl ohne Diagnose als auch ohne Medikamente gelebt. Allerdings mit wachsendem Leidensdruck. Gut zu wissen, dass sowohl Diagnose als auch Medikation im Grunde nur bei Leidensdruck wichtig sind.

Als ich zu verstehen begann, wie das alles zusammenhängt und wie meine andauernde, sehr belastende Reizüberflutung überhaupt entsteht, beschloss ich, dem Hilfsmittel Methylphenidat eine Chance zu geben. Mein persönlicher Leidensdruck war vor allem der Reizüberflutung geschuldet, zum einen war das dieser Dauerlärm im Kopf, dazu dieses Umherspringen, diese vielen offenen Tabs in mir drin … und wenn dann noch etwas von außen kommt, Lärm, Gestank, eine dringende Bitte eines lieben Menschen … und das alles gleichzeitig, in 3D und in Farbe … dann war ich einfach nur noch dauererschöpft. Warum also nicht etwas Neues ausprobieren?

Den meisten ist nicht klar, wie anders ADHS-Substanzen im Vergleich zu Schmerzmitteln wirken. Selbst zu den Antidepressiva, die ich zuweilen genommen habe, verhält sich Methylphenidat total anders.

Der Hauptunterschied besteht vielleicht darin, dass diese Substanzen keinen Spiegel im Organismus bewirken, den es aufrecht zu erhalten gilt. (Gerade in Filmen wird das oft völlig falsch dargestellt.) Das Mittel wird eingenommen, erreicht seinen Level, wirkt eine bestimmt Zeit und verlässt unser System wieder … und das alles innert maximal zwölf Stunden. Zum einen beeinflusst das Medikament den Dopamintagesspiegel, zum anderen ist da der Teil des Medikaments, der wachmacht (was solche Mittel eben auch als Droge beliebt macht).

Was das Mittel definitiv NICHT macht, ist klassisches Ruhigstellen. Jedenfalls nicht so, wie es sich viele vorstellen. Unterm Strich macht mich das Mittel schon irgendwie ruhiger, aber nicht auf die baldrianeske Art, sondern eher so, dass ich weniger Lärm im Kopf habe und dadurch konzentrierter und fokussierter bin.

Was ich euch hier im Folgenden erzähle, basiert auf dem, was mir meine Ärztin – Dr. ADHS will ich sie hier nennen – erzählt hat, was ich mir angelesen und was ich persönlich erfahren habe. Es ersetzt keine persönlichen Besuche bei einer*m Spezialistin*en. Und bestimmt habe ich auch das eine oder andere nicht genau richtig verstanden, seid also nachsichtig mit mir. Ich hoffe dennoch, dass meine Erfahrungen, der einen oder dem anderen helfen können, den einen oder anderen Zusammenhang besser zu verstehen.

Dr. ADHS war es sehr wichtig, dass ich nach der Diagnose und vor dem Beginn der medikamentösen Therapie überhaupt verstehe, wie das Hirn funktioniert und was die Medikamente bewirken und auslösen.

Damit ich mir alles gut vorstellen kann, hat sie mir bunte Grafiken gezeichnet, die ich hier natürlich nicht wiedergeben kann. Ich versuche es darum mit Worten.

Stellt euch eine Zelle vor. Darin Blasen. Darin Dopamin. Dopamin gewährleistet, wenn ich das richtig verstanden habe, eine störungsfreie Signalübertragung. In einem Nicht-ADHS-Hirn überträgt Dopamin Informationen und Befehle via synaptischem Spalt – denkt euch rote Punkte außerhalb der Zelle – in die Nachbarzellen. Das nicht mehr benötigte Dopamin wird via Dopamintransporter – gezeichnet als hellgrüne Wägelchen – zurück in die Zellen gebracht. Ein ausgewogenes System, ein Kreislauf.

Ein ADHS-Hirn verfügt – vereinfacht gesagt – über eine mangelnde Dopamin-Wirksamkeit respektive sind zu viele Dopamintransporter (kurz DaT) im Einsatz, die viel zu viel Dopamin wegkarren, so dass das wenige vorhandene Dopamin nicht richtig arbeiten kann, sondern zu früh abtransportiert wird. Ich sage das jetzt mit meinen Worten, also das, was ich noch weiß und halbwegs verstanden habe.

Was also ist hilfreich, damit das Dopamin tun kann, wozu es gebraucht wird? Was muss ein Medikament können?

Unser Hirn braucht ein Mittel, das die Dopamintransporter (DaT) reduziert und/oder es muss mehr Dopamin geliefert werden. Und genau das tun MPH-Medikamente via Ritalin, Concerta, Medikinet, Focalin (Schweiz) und wie sie alle heißen.

Dazu Wiki: »Die typischen ADHS-Medikamente (Stimulanzien wie Methylphenidat oder Lisdexamfetamin* bewirken auf verschiedene Weisen (Methylphenidat als Dopaminwiederaufnahmehemmer, Lisdexamfetamin* als Dopaminfreisetzungsverstärker) eine Erhöhung des Dopaminspiegels im synaptischen Spalt – bei richtiger Dosierung auf das Maß, das wie bei Nichtbetroffenen eine störungsfreie Signalübertragung gewährleistet. Bei Überdosierung (zu hoher Dopaminspiegel) entstehen Signalübertragungsprobleme, die nahezu dieselben Symptome verursachen wie ein zu geringer Dopaminspiegel.«

Zum Schluss noch ein bisschen Hirn-Theorie. Stellt euch das Hirn als rundliches Dingsi gezeichnet vor. Links, im vorderen Teil des Kopfes, sitzt der Präfrontale Cortex (PFC) – dargestellt als längliches Feld. Er ist für Steuerung, Lernen, Entscheiden und Priorisieren zuständig.

In der Hirnmitte, dargestellt als kurviger Strich, liegt der Thalamus. Er ist für die Filterung zuständig, steuert somit die Ablenkbarkeit durch Reizfülle.

Rechts im gezeichneten Hirn, dargestellt als schwarze runde Fläche, schließlich das Limbische System, auch Belohnungssystem genannt, das innere Ruhe/Unruhe, Getriebensein und/oder eben Wohlsein, Zufriedenheit etc. steuert. Kurzum: Alles hängt zusammen.

Wie die unterschiedlichen MPH-Medikamente wirken und unsere Hirntätigkeit beeinflussen, erzähle ich euch im nächsten Teil.

+++

INFO: Diesen Text habe ich im Oktober 2023 geschrieben.


EDIT: Im Wikipedia-Artikel steht ursprünglich Amphetamin, was aber so nicht ganz stimmt. Darum wurde der Begriff ersetzt durch Lisdexamfetamin. Begründung: »Amphetamine könnten zu einem sofortigen Rausch führen, aber Lisdex ist nur ein Prodrug, wird also erst im Magen-Darm-Trakt zur aktiven Substanz. (Wichtig, weil Elvanse auch bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt wird, da hormonstabil.)« Danke an Vierraumwohnung, die mich upgedated hat.


Teil 2
Teil 3
Teil 4

Fortsetzung folgt

Autor: Disa

ü55, weiblich, spät diagnostiertes ADHS (2023), Verdacht auf Autismus wird im Winter/Frühling 25 abgeklärt.

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